Kunststoffe sind ein selbstverständlicher und zudem essenzieller Teil unseres täglichen Lebens. Und das, obwohl es diese Art von Werkstoffen erst seit rund 170 Jahren gibt. Der erste Kunststoff, das so genannte Zelluloid, stammte aus dem Jahr 1856 und wurde aus pflanzlicher Zellulose hergestellt. Es erreichte schnell Weltruhm durch seine Verwendung als Trägermaterial für fotografische Filme und Kinofilme.
Der erste so genannte vollsynthetische Kunststoff, also ein Material, das keine in der Natur vorkommenden Moleküle mehr enthielt, war das 1907 erfundene Bakelit, aus dem damals z.B. die Gehäuse der Telefone gefertigt wurden. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten ging es in der Entwicklung von neuen Kunststoffen Schlag auf Schlag. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurden viele der bis heute gängigsten Kunststoffe wie Nylon (z.B. für Feinstrumpfhosen, Fallschirme), PE (Einkaufstüten), Polystyrol (z.B. Styropor), PVC (z.B. Bodenbeläge) etc. entwickelt.
Aber was hat dieses Material eigentlich, was die anderen nicht haben und warum ist es so vielseitig? Dazu müssen wir ganz genau hinsehen, nämlich auf die molekulare Ebene. Ausgangsstoffe sind stets kleine Moleküle, die in der Regel aus Erdöl hergestellt werden. Aus diesen Grundbausteinen entstehen durch eine Verkettung lange, teils verzweigte Ketten, die so genannte Polymere. Je nachdem, welche Teilchen man nimmt, wie lange die Ketten sind und ob sie wie stark verzweigt sind, erhält man so schon eine beachtliche Vielzahl von Varianten. Die Art des Polymers gibt dem Kunststoff nun auch seine Bezeichnung wie z.B. Polyethylen (PE) oder Polystyrol (PS).
Wenn der Grundstoff noch nicht ganz die perfekten Eigenschaften hat, werden diesem weitere Stoffe, die Additive, zugesetzt. Diese beeinflussen die Elastizität (Weichmacher), die Lichtbeständigkeit (UV-Stabilisatoren), die Farbe (Pigmente), die Brennbarkeit (Flammschutzmittel) und noch vieles mehr. In Extremfällen bestehen Kunststoffe bis zu 50 % aus Additiven. Bekanntermaßen stehen einige dieser Zusätze im Verdacht, gesundheitsgefährdend zu sein, bei bestimmten Kandidaten ist das auch schon bewiesen.
Selbstverständlich sind jene Risikostoffe innerhalb der EU nicht mehr oder nur noch für bestimmte Anwendungen zugelassen. Aber trotz aller Regulationen und Verbote finden sich auch heute noch geächtete Problemstoffe in sensiblen Produkten. Das liegt meist daran, dass diese nicht in der EU, sondern da hergestellt werden, wo es nicht so genau geht.
Umso problematischer ist die Tatsache, dass viele Additive nicht fest im Kunststoff gebunden sind und diesen im Laufe der Zeit verlassen können. Der Mensch nimmt die Stoffe dann z.B. über die Nahrung, durch Einatmen oder über Hautkontakt auf. Bei der Untersuchung von Schadstoffbelastungen im menschlichen Körper wurden einige der gefundenen Stoffe auf Kunststoffadditive zurückgeführt. Dazu gehören unter anderem Weichmacher (z.B. Phthalate), Bisphenole (z.B. BPA, BPS), Flammschutzmittel sowie Poly- und perfluorierte Alkylstoffe (PFAS). Und da jeder Kunststoff seine eigene Rezeptur hat, wird auch das spätere Recycling kompliziert und in manchen Fällen nahezu unmöglich. Was genau hierbei zum Problem wird und wie man versucht dieses zu lösen, lesen wir im zweiten Teil des Newsletters.
Verfasser: Dr. Christoph Stöckle